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Stellt man Menschen in Aussicht, den Alterungsprozess in nicht allzuferner Zukunft heilen und abschaffen zu können, herrscht zunächst einmal Unglauben. Verständlich angesichts der Tatsache, dass seit Anbeginn der Menschheitsgesichte alle derartigen Versuche scheiterten. Viele wiederum, die es für prinzipiell möglich erachten, äußern Bedenken. Sollte man Menschen eine unbegrenzte Lebensspanne gewähren? Welche Auswirkung hätte das auf die Welt? In diesem Artikel möchte ich auf das am häufigsten genannte Argument eingehen: Überbevölkerung Mehr als 100.000 Menschen sterben weltweit täglich an den Krankheiten des Alterns, und in den meisten Fällen ist es kein sanftes Hinübergleiten, sondern eine Qual, die sich über Jahre, manchmal Jahrzehnte hinzieht. Zudem verursacht die Behandlung der Alterskrankheiten einen hohen finanziellen Aufwand, der das Gesundheitssystem enorm belastet. Aber wenn Menschen nicht mehr infolge hohen Alters stürben, lautet ein häufig vorgebrachtes Argument, würde dies nicht das Problem der Überbevölkerung verstärken? Die UN prognostiziert, dass das Bevölkerungswachstum bis zum kommenden Jahrhundert stagnieren, oder sogar rückläufig sein wird. In den westlichen Industrienationen kann man diesen Trend bereits seit längerem beobachten: Überall dort, wo Wohlstand und Sicherheit herrschen, gehen die Geburtenziffern zurück, und das Durchschnittsalter der Bevölkerung steigt an. Der Wohlstand breitet sich nachweislich immer weiter über die Erde aus; auch, wenn der Fortschritt langsamer als wünschenswert voranschreitet. Die Annahme eines globalen Bevölkerungsrückgangs ist zumindest plausibel. Doch selbst, wenn dies nicht zuträfe: Würde das Altern heilbar, wäre es dann nicht unsere humanitäre Pflicht, es auch zu tun? (In diesem Fall müssten freilich andere Lösungen für das Einschränken des Wachstums gefunden werden - beispielsweise die Begrenzung der Kinderanzahl pro Kopf. Ich denke aber, dazu wird es nicht kommen.) Tatsächlich heilen wir das Altern bereits jetzt, wenn auch noch unvollständig. Vor Beginn der modernen Medizin starben Menschen in ihrem dritten oder vierten Lebensjahrzehnt - im Durchschnitt natürlich. Mit den Fortschritten auf dem Gebiet der Medizinwissenschaften hingegen erreichten Menschen ein immer höheres Alter. Heutzutage hat ein Mensch in einer Industrienation eine gute Chance, seinen 80. Geburtstag zu erleben. Als komplett heilbar können wir das Altern noch nicht einstufen, aber die bisherige Verdopplung unserer Lebenserwartung spricht eine deutliche Sprache: Wir wollen das Leben verlängern, wir wollen die Krankheiten des Alterns heilen; alle unsere Bemühungen streben seit jeher danach. Warum beim bisher Erreichten innehalten? Wer möchte schon Demenz, Alzheimer und Arteriosklerose bekommen, wenn es doch vermeidbar wäre? Das Altern nicht zu bekämpfen, mit den Krankheiten des Alterns ohne jede Gegenwehr leben und sterben zu wollen, würde letztlich bedeuten, jegliche medizinische Errungenschaft der letzten hundert Jahre wieder rückgängig zu machen. Und sich wieder mit den dünnen 30 oder 40 Jahren zufrieden zu geben, mit denen wir vor dem Einzug der modernen Medizin rechnen konnten. Schwer vorstellbar, dass wir als Zivilisation das wirklich wollen. Die Überbevölkerung ist ein Problem, das in den nächsten hundert Jahren plausibel rückläufig sein könnte, während gleichzeitig der Anteil der alternden Bevölkerung zunimmt. Das unermessliche Leid und Massensterben alternder Menschen hingegen ist eine Realität, die ohne Intervention niemals rückläufig sein wird. In nicht all zu ferner Zukunft könnten medizinische Interventionen das biologische Altern abschaffen; niemand müsste mehr alters sterben. Ich wiederhole daher meine Frage aus dem Titel: Tun oder lassen? Nächsten Dienstag möchte ich mich mit weiteren Argumenten befassen, die die Abschaffung des Alterns infrage stellen. Kann das Leben nur im Kontrast zum Tod einen tieferen Sinn ergeben? Ist es wider die Natur, den Tod zu besiegen? Muss das Alte zwangsläufig dem Neuen Platz machen? Wie immer gilt: Es gibt keine einfachen Antworten...