Das Unwohlsein der Dreads

Und lustig geht es weiter mit dem kulturellen Aneignungs-Wahnsinn: In der Schweiz wurde kürzlich ein Konzert unterbrochen, weil sich Besucher wegen überwiegend weißen Dreadlocks-Träger auf der Bühne unwohl fühlten.

Uff. Okay. Als das mit der ausgeladenen Dreadlocks-Musikern aktuell war (siehe auch mein vorheriger Beitrag), hatte ich gesucht und zumindest einen farbigen Menschen mit Dreadlocks gefunden, der seine Meinung zum Thema beisteuert: er hat keine Probleme mit weißen Dreadlocks-Trägern. Klar, die Meinung eines einzelnen Betroffenen mag keine große Aussagekraft haben. Zumindest zeigt sie aber, dass das Thema auch von Betroffenen nicht einheitlich bewertet wird. Hier ist das Video:

https://youtu.be/lHYls9e4mVM

Des Weiteren habe ich mir die Frage gestellt, ob Dreads wirklich einer bestimmten Kultur zugeordnet werden können. Anscheinend sind Dreads (oder Dread-ähnliche) Haartrachten bereits seit mehreren tausend Jahren verbreitet. Unter anderem gibt’s eine 25.000 Jahre alte Skulptur einer Frau, die stilisierte Dreads (oder Braids, unklar) trägt. Sicher ist, dass bereits die alten Ägypter diese Haartracht kannten:

/https://afroculture.net/dreadlocks-in-history-origin-of-rasta-hairstyle/

Zudem habe ich mich gefragt, wenn nun beliebige stilistische Merkmale zu sozialen Ausschlüssen und Diskriminierung führen können, wo wird die Linie gezogen? Kann plötzlich ein Merkmal, das wir selbst bevorzugen — sagen wir, vornehmlich schwarze Kleidung zu tragen — auch kulturell unangemessen werden?

Und wenn kulturelle Aneignung tatsächlich ein Ding ist, bedeutet das im Umkehrschluss, dass kultureller Austausch verpönt sein muss? Diversität würde damit ausgehöhlt; denn wenn Menschen unterschiedlicher Kulturen sich friedlich vermengen, tauschen sie ganz selbstverständlich auch kulturelle Merkmale miteinander aus.

Persönlich kann ich Empörung nachvollziehen, wenn Menschen sich in beleidigender oder verhöhnender Absicht kulturelle oder ethnische Merkmale aneignen (z.B. Blackface). Sich aus rein ästhetischen Gründen einen Kilt, Kimono oder eben Dreads zuzulegen, ist aber nicht das. Es ist nicht verhöhnend, beleidigend, sondern vielmehr eine Hommage an eine andere Kultur.

Künstler deswegen zu diskriminieren und Konzerte zu unterbrechen, führt geradewegs in die kulturelle Apartheit. Das kann in niemandes Sinne sein.

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